Ernährungsmanagement in der Pflege

Ernährung in der Pflege – wie Sie das Thema modern und ganzheitlich angehen

Essen und Esskultur haben einen zentralen Stellenwert in der menschlichen Gesellschaft, der weit über die Aufnahme von gesunden und schmackhaften Nahrungsmitteln hinausgeht. Ein Thema, dem auch und gerade mit Blick auf ganzheitliche und kundenorientierte Betreuungsqualität eine zentrale Bedeutung in der Pflege zukommt.

Essen als soziokultureller Bestandteil des Mensch-Seins

Die tägliche Nahrungsaufnahme geht in ihrer Bedeutung für den Menschen weit über das simple Stillen von Hunger hinaus. Essen ist in allen Gesellschaften ein wesentlicher Bestandteil der Kultur, der besonders in der Familie, aber auch im gesellschaftlichen Rahmen, im Wirtschaftsleben oder in der Beziehung zwischen Liebenden eine wichtige Rolle spielt. Denn Essen ist bei Weitem nicht nur das Zerkleinern, Kauen und Herunterschlucken von Nahrungsmitteln.

Essen muss geplant werden, die Zutaten müssen besorgt, gelagert, sinn- und geschmackvoll kombiniert, zubereitet und angerichtet werden. Bei Tisch herrschen Regeln, die zum Beispiel gesellschaftliche Stellung und Verhaltensnormen sowie Zusammengehörigkeit und Hierarchien der Versammelten widerspiegeln.

Essen hat eine erotische Komponente, kann trösten und versöhnen und ist mit vielen Erinnerungen an Kindheit, Familie, Fürsorge und Gemeinschaftszugehörigkeit verbunden. Die Auswahl der Zutaten und die Art der Zubereitung leisten natürlich außerdem einen wichtigen Beitrag zu körperlicher Gesundheit und Vitalität, und Geschmack und Art der Präsentation der Mahlzeiten können Stimmungen beeinflussen und drücken Wertschätzung aus.

Ernährungsmanagement als zentrales Pflegethema

Diese Aspekte machen deutlich, was für ein hoher Stellenwert der Frage des Ernährungsmanagements auch und besonders in der Pflege zukommt bzw. zukommen sollte. Denn selbst wenn sich die Rahmenbedingungen in der stationären und ambulanten Pflege ständig verschärfen und immer mehr Aufgaben unter steigendem Zeit- und Kostendruck zu bewältigen sind, lohnt es doch, sich dem Thema intensiv zu widmen, da ein ungenügendes Ernährungsmanagement viel Schaden verursachen kann und ein gelungenes Ernährungskonzept oft deutlich mehr Nutzen bringt, als es zusätzlichen Aufwand bedeutet.

Am Anfang muss dabei natürlich die Erfüllung der gesetzlichen Normen wie zum Beispiel des Expertenstandards (S2b) stehen, nach welchem die Einrichtung über eine multiprofessionell geltende Verfahrensregelung zur berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit beim Ernährungsmanagement verfügen muss.

Ziele des Verpflegungs- und Schnittstellenmanagements sind u. a.:

  • die Einhaltung gesetzlicher Hygienevorschriften
  • die Sicherstellung einer kontinuierlichen Versorgung
  • Bedarfe der zu Versorgenden ermitteln und sicherstellen
  • Über-, Unter- bzw. Fehlversorgung vermeiden
  • den zu Versorgenden ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen

Hierbei ist hervorzuheben, dass es der Verantwortung der Pflegekraft obliegt, „… auf der Grundlage der Verfahrensregelungen in enger Kooperation mit Küche und Hauswirtschaft sowie in Absprache mit anderen Berufsgruppen (z. B. Ärzten, Logopäden, Diätassistenten) Maßnahmen für eine individuell angepasste Ernährung (zu) koordinieren.“ (P2 des Expertenstandards DNQP)

Entsprechend braucht es im Rahmen des Schnittstellenmanagements einer stationären Pflegeeinrichtung u. a. Regelungen für:

  • Speiseplanung
  • Speiseherstellung
  • Ausgabesysteme
  • Erhebung der Essbiografien und -wünsche der Pflegebedürftigen
  • Kommunikation
  • Einbeziehung der Pflegebedürftigen und der Angehörigen

Nicht nur was wir essen ist wichtig, sondern auch das Wie und Wo!

Die Gestaltung der Speiseräume hat einen entscheidenden Einfluss auf den Appetit der zu Versorgenden und ihr Wohlgefühl. In einer hellen, freundlichen Atmosphäre mit schönem Geschirr und Blumen auf den Tischen schmeckt das Essen einfach besser als in einem kargen, dunklen Raum von Plastiktellern. Ein schönes, kommunikationsförderndes Ambiente lädt außerdem dazu ein, die Mahlzeiten gemeinsam einzunehmen, und fördert dadurch Austausch und Gemeinschaftsgefühl der Pflegebedürftigen.Es ist auch möglich, auf individuelle, kulturabhängige Wünsche einzelner Pflegebedürftiger hinsichtlich der Tischgestaltung einzugehen und dadurch Selbstbestimmtheit zu fördern und Wertschätzung auszudrücken.

Es gibt Studien, die belegen, dass die Darreichung der Mahlzeiten in Büffetform viele Vorteile gegenüber dem Tablettsystem haben kann. Neben der Steigerung der Verzehrmenge fördert dieses System die Eigenständigkeit und Selbstbestimmung (z. B. Portionierung), die Wahrnehmung der Speisen durch Ansehen und Riechen und die Kommunikation der Pflegebedürftigen durch Gespräche am Büffet.So lassen sich die allgemeine Atmosphäre verbessern, das Resteaufkommen vermindern und zudem Temperaturverluste der Mahlzeiten vermeiden. Auch die in ihren Zimmern zu Versorgenden können mit einem mobilen Büffet in dieses System einbezogen werden.

Einen weiteren interessanten Ansatz stellt auch die Einbeziehung von Fingerfood in die Speiseplanung dar. Die Möglichkeit, sein Essen zu „erfassen“, bietet gerade bei Pflegebedürftigen mit motorischen oder visuellen Schwierigkeiten eine wirkungsvolle Möglichkeit, Selbstständigkeit und Geschicklichkeit zu fördern und zu trainieren. Auch bei demenzkranken Pflegebedürftigen beinhaltet der Ansatz großes Potenzial, über das „Begreifen“ der Nahrung positiv auf den Allgemeinzustand einzuwirken. Auch in Stadien, in denen die Benutzung von Messer und Gabel zunehmend schwierig oder unmöglich wird, ist das Angebot von entsprechend zubereiteten Mahlzeiten, die mit den Fingern eingenommen werden können, ein probates Mittel, Fremdfüttern zu vermeiden und so Eigenständigkeit und Würde zu erhalten.

Selbstbestimmung, Partizipation, Ressourcenförderung

Rund um Planung und Umsetzung des Ernährungskonzepts bieten sich auch zahlreiche Möglichkeiten, gruppenpädagogische Prozesse zu initiieren und dadurch Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit zu fördern sowie noch vorhandene Ressourcen der Pflegebedürftigen zu aktivieren bzw. zu erhalten. Nicht nur, dass eine aktive Mitwirkung der Pflegebedürftigen bei der Erarbeitung des Speiseplans gefördert wird, eine Gruppe oder geeignete Person kann auch die visuelle Gestaltung des wöchentlichen Plans selbst übernehmen oder begleiten.

Auch die Möglichkeit, persönliche Gegenstände der Pflegebedürftigen oder in Werkgruppen selbstgestaltete Accessoires zur Raum- oder Tischgestaltung zu verwenden, eignet sich gut zur Aktivierung und Partizipation. Darüber hinaus bieten sich im Rahmen eines durchdachten und kundenzentrierten Ernährungskonzepts viele weitere Möglichkeiten, Pflegebedürftige im Rahmen ihrer individuellen Möglichkeiten in den Prozess der Nahrungszubereitung zumindest teilweise einzubeziehen, sei es mit Koch- oder Backgruppen, gemeinsamem Marmeladekochen oder Einwecken oder dem Angebot, beim Gemüseschälen oder -schnippeln einen Beitrag zu leisten.

Dies kann und sollte mit weiteren therapeutischen oder gruppenpädagogischen Maßnahmen wie z. B. Biografiearbeit gekoppelt werden, um die ganzheitliche Qualität der Pflege zu unterstützen.

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