Wie Sie als Pflegekraft mit Schmerzsituationen bei Menschen mit chronischen Wunden richtig umgehen

Um ein ganzheitliches Wundmanagement durchführen zu können, muss man Ursache und Art der Schmerzen, die der Betroffene bezüglich seiner Wunde äußert, identifizieren und richtig behandeln. Schmerzen können sowohl bei heilenden als auch nicht heilenden Wunden bestehen. Der Expertenstandard „Schmerzmanagement“ gibt ausführliche Informationen darüber.

Man versteht unter Schmerzen eine Sinneswahrnehmung, die auf einen Missstand im Organismus hinweist. Bleibt der Schmerz längere Zeit bestehen, verliert er seine warnende Wirkung und wird zum chronischen Schmerz, der häufig die Folge bestimmter Grunderkrankungen ist. Schmerzen werden durch verschiedene Stimuli hervorgerufen:

  • nozizeptiver Stimulus ist auf Schädigung im Gewebe zurückzuführen
  • neuropathischer Stimulus zeigt Schädigungen der Nerven auf und
  • psychogener Stimulus wird von Angst und Furcht ausgelöst.

Die Schmerzentstehung veranlasst im Körper außerdem Veränderungen der Muskelspannung, des Herzschlages, der Durchblutung und der Schweißproduktion. Um die Schmerzen erfassen zu können, bedarf es einer genauen Krankenbeobachtung. So können auch psychische Veränderungen des Betroffenen auf Schmerzen hindeuten.

Beispielsweise:

  • Unruhe, Reizbarkeit
  • veränderte Denkprozesse
  • Neigung zu Depression
  • Furcht vor neuer Verletzung
  • Rückzug aus sozialen Kontakten

Für die Wundheilung ist besonders zu beachten, dass man drei Typen von Schmerzen unterscheidet:

  • der akute Wundschmerz entsteht durch Verletzung oder lokale Schädigung
  • der chronische Schmerz ist vom eigentlichen Reiz völlig abgekoppelt und agiert davon unabhängig
  • der intermittierende Schmerz (akut-rezidiver Schmerz) kommt häufig beim Verbandwechsel, der Wundreinigung oder des Débridements vor.

Der chronische Schmerz entsteht durch nicht oder nicht ausreichend behandelte akute Schmerzen. Bei chronischen Wunden wird somit auch der Schmerz chronisch. Oft kommt es zum Dilemma, weil Menschen mit chronischen Wunden die Mobilität scheuen, um Schmerzen zu vermeiden. Dadurch wird meist, besonders bei Druckgeschwüren, die Wundheilung gestört. Dann kommt es darüber hinaus zu Schlafmangel, was wiederum zu Schmerzen führt. Dieser Kreislauf kann nur durch ein gutes Schmerzmanagement durchbrochen werden.

Da Schmerzen immer auch die Lebensqualität des Betroffenen meist in erheblichem Umfang beeinträchtigen, muss versucht werden, die Schmerzen zu beseitigen oder auf ein geringes Maß zu reduzieren. Mit der Wundbehandlung muss also immer ein adäquates Schmerzmanagement einhergehen. Der Körper ist selbst in der Lage, mittels Produktion von Substanzen mit morphinhaltiger Wirkung, die Weiterleitung der Schmerzen zu hemmen. Reicht dies nicht aus, muss eine Schmerzbehandlung von außen erfolgen. Da in den meisten Fällen eine medikamentöse Therapie nicht ausreicht, sollte eine ganzheitliche Schmerztherapie folgen. Darunter versteht man:

  • Schmerzerfassung
  • Schmerzbehandlung
  • Beratungsmaßnahmen zum Thema Schmerz

Schmerzerfassung

Schmerzen sind immer subjektive Wahrnehmungsäußerungen, die jeder Mensch individuell anders empfindet („Schmerz ist das, was der Betroffene äußert“). Um den Schmerz überhaupt erfassen zu können, kann man sich an folgenden Hilfsgrößen orientieren:

  • Körperregion der Schmerzen angeben. (Wo liegt der Schmerz genau?)
  • Stärke der Schmerzen einschätzen (Intensität). Hierzu gibt es verschiedene Erfassungsinstrumente, die bei der Einschätzung der Stärke der Schmerzen hilfreich sein sollen.
  • Qualität der Schmerzen ermessen (Wie fühlt er sich an?).
  • Beginn, Dauer und Verlauf der Schmerzen angeben (Schmerzen sind stetig, phasenweise etc.).
  • Gestik und Mimik des Betroffenen beobachten (besonders wichtig bei Menschen, die sich nicht mehr verbal äußern können).
  • Einflüsse, die die Schmerzen verschlimmern oder verringern, erfragen.

Schmerzskalen

Um eine präzisere Einschätzung der Schmerzen zu erreichen, können verschiedene Instrumente zu Hilfe genommen werden. Diese Instrumente zur Selbsteinschätzung ermöglichen es, die Schmerzen auf quantifizierbare Weise darzustellen. Mittels Zahlen, Begriffen oder Größen sollen die Schmerzen transparent gemacht werden. Z.B. mit der numerischen Rangskala, der verbalen Rangskala, der Gesichterskala, oder der visuellen Analogskala. Wie oben beschrieben muss besonders bei Menschen, die keine Selbsteinschätzung mehr vornehmen können, eine Fremdeinschätzung erfolgen. Auch hierzu gibt es Skalen, die auf die Gestik, Mimik, das Verhalten, die Äußerungen, die Körperhaltung und auf das Verhalten des Betroffenen eingehen (z.B. Doloplus-Skala).

Schmerzbehandlung

Hier wird zwischen der medikamentösen Therapie und der nicht medikamentösen Therapie unterschieden. Dabei bildet der Medikamentenplan die Grundbasis und soll ein Höchstmaß an Schmerzlinderung bringen, wobei die Mobilität so wenig wie möglich darunter leiden darf. Nach einem Stufenplan der WHO wird ein Medikamentenplan erstellt. Dieser Plan soll mit seinen Medikamentengruppen (Nicht-Opioide, mittelpotente Opioide, starke Opioide, Co-Analgetika) nur für Schmerzen nozizeptiver Art gelten. Ist die Schädigung der Wunde so tief und verletzt tief liegendes Gewebe und damit Nerven, so handelt es sich um Nervenschmerzen, die mit anderen Medikamenten behandelt werden müssen.

Die medikamentöse Therapie liegt in der Verantwortung des Arztes, wobei die Pflegekräfte die Durchführungsverantwortung haben. Deshalb ist es vonnöten, dass die Pflegekräfte das WHO-Stufenmodell kennen, einen festen Zeitplan bei der Gabe der Medikamente einhalten und über die Wirkungsweise und die Nebenwirkungen der Analgetika Bescheid wissen und diese beachten.

Oft können Schmerzen durch die medikamentöse Therapie nur in einem bestimmten Maße behandelt werden. Diese Tatsache hat unterschiedliche Ursachen:

  • begrenzte Wirkpotenz der Analgetika (Monotherapie)
  • Schmerzfreiheit ist erreicht durch Opioide, aber Nebenwirkungen setzen ein (Sedierung, Atemdepression), die ihrerseits nicht zu akzeptieren sind.
  • Verabreichung zweier Stoffe mit gleichem Wirkmechanismus (schlechte Kombinationstherapie)

Deshalb empfiehlt es sich, bei allen Arten von Wunden und ihren Schmerzen auch Alternativen zur medikamentösen Schmerztherapie heranzuziehen. Neben der klassischen Druckentlastung oder der Kompressionstherapie gibt es weitere Möglichkeiten die Schmerzen zu reduzieren. Folgendes kann sinnvoll sein:

  • Kälte- und Wärmeanwendungen bei akuten Schmerzen
  • Kompensation arterieller Durchblutungsstörung
  • Massagen, spezielle Lagerungen, Lymphdrainage, Bewegungstherapie
  • Verabreichung von Stromimpulsen (TENS)
  • Elektrotherapie mittels Ultraschall
  • Musik, Entspannungstechniken
  • Akupunktur, Akupressur
  • Homöopathie

Diese Interventionen können angewendet werden, wenn das Wissen bei den Pflegenden darüber besteht, die Grunderkrankungen des Betroffenen es zulassen und die Vorlieben oder Abneigungen für die einzelnen Maßnahmen bekannt sind. Es handelt sich hierbei um eine sekundäre Schmerzreduktion, die nur mit dem Einverständnis des Betroffenen erfolgen kann und ein Wohlbefinden erzeugen soll. Wichtig dabei ist, dass es auch bei diesen Maßnahmen Kontraindikationen gibt und die Linderung der Schmerzen für die Situation zeitlich begrenzt ist. Schmerzen stellen auch immer eine psychische Belastungssituation dar. Es ist wichtig, dass Außenstehende die Situation des Betroffenen immer ernst nehmen und ihm so weit wie möglich Zuwendung zukommen lassen. Solche psychologischen Maßnahmen können ebenso zur Schmerzreduktion beitragen.

Schmerzen beim Verbandwechsel

Die intensivsten Schmerzen geben viele Betroffene während des Verbandwechsels an. Diese Tatsache ist Anlass dafür, einige Punkte während des Verbandwechsels zu beachten, um den Wundschmerz so gering wie möglich zu halten:

  • alle Maßnahmen mit dem Betroffenen absprechen
  • evtl. einige Zeit zuvor Schmerzmittelgabe
  • evtl. Lokalanästhetikum (z.B. Emla-Salbe®) verwenden
  • Gespräch führen während des Verbandwechsels, um den Betroffenen abzulenken
  • bequeme Lagerung sicherstellen
  • Wundauflage korrekt abnehmen, d.h. vorsichtig entfernen, mit Gegenzug an der Haut und Überdehnen der Wundauflage
  • Wundspüllösung auf Körperwärme bringen
  • ggf. Anfeuchten der „alten“ Wundauflage
  • langsames Entfernen der Auflagen
  • Vermeiden von Spüldruck nicht-klebende Wundauflagen verwenden
  • lange Wechselintervalle einhalten (je nach Wundauflage)
  • Beachten von allen Schmerzäußerungen, Betroffenen mit seinen Ängsten ernst nehmen

Beratungsmaßnahmen

Bei einem guten Schmerzmanagement spielt der Betroffene eine entscheidende Rolle. Es hilft, wenn der Betroffene seinen Körper differenziert wahrnehmen, Schmerzstärken und alle Phänomene, die die Wunde betreffen, feststellen und äußern kann.

Durch Anleitung und Beratung der Pflegekräfte sollen diese Kompetenzen erzielt werden. Außerdem soll durch die Beratung erreicht werden, dass die Betroffenen die Maßnahmen des Schmerzmanagements verstehen und die Therapie aktiv mitgestalten.

Zurück

Hier bloggt die Redaktion Fachkompetenz Pflege des Verlags Mensch und Medien

Folgen Sie uns:  twitter

Professionelle Altenpflege
Das kompetente Wissensportal

Mehr erfahren

  • Expertenwissen praktisch nutzen
  • Zeitsparend arbeiten
  • Aktuell informiert sein
  • Wissen sicher vermitteln
Mehr erfahren