Pflegewissen für die Praxis

Pflege-Fachwissen: Was ist eine Wundanamnese?

Bevor die praktische Versorgung und Therapie der chronischen Wunde begonnen wird, muss zunächst eine Wundanamnese durchgeführt werden. Was versteht man darunter und was muss ich als Pflege-Fachkraft darüber wissen?

Sie beschreibt und dokumentiert die Wundsituation sowie den jeweiligen Wundzustand. Zur Wundanamnese gehören die Bestimmung der Wundlokalisation, der Wundgröße, der Wundtiefe sowie die Wundklassifikation einschließlich Wundgrund, Geruch, Exsudat und Wundumgebung. Sie kann mit ihren erhobenen Parametern dazu genutzt werden, eine Prognose des Heilungsverlaufs vorzunehmen. In der Fachwelt ist man sich einig, dass die Wundgröße als entscheidender Faktor für die Bewertung und Prognose der Wundheilung gilt und zur Unterscheidung zwischen heilenden und nicht heilenden Wunden genutzt werden kann.

Die Wundanamnese sollte laut Expertenstandard „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“ bei jedem Verbandwechsel, spätestens aber wöchentlich bzw. wenn sich die Wundbedingungen geändert haben, stattfinden. Nur so lässt sich die Entwicklung der Wundsituation abbilden und notwendige Interventionen vornehmen.

Im Folgenden sind die relevanten Faktoren zur Beschreibung einer Wunde aufgeführt.

Wundgröße

Die Messung der Wundgröße sollte grundsätzlich einheitlich vorgenommen werden. Deswegen wird auch empfohlen, dass die Messung immer durch dieselbe Person vorgenommen wird. In der Praxis lässt sich dies sicherlich nicht immer gewährleisten. Allerdings wird so das Risiko begrenzt, dass von verschiedenen Pflegefachkräften unterschiedliche Messmethoden angewendet werden. Die Aussagekraft des Faktors „Wundgröße“ wäre dann äußerst gering.

Die Wundgröße kann durch die Parameter Form, Länge, Breite, Umfang, Tiefe, Volumen, Fläche und Unterminierung sowie Tunnel beschrieben werden. Hierzu gibt es mehrere Möglichkeiten:

Einsatz von Linealen und Schablonen

Bei dieser Messmethode werden Papierlineale eingesetzt. Der Einsatz von Mehrfachmessinstrumenten wie Kunststofflinealen und Schablonen ist oft recht aufwändig. Dies liegt vor allem daran, dass deren Desinfektion recht kosten- und zeitintensiv ist und dennoch die Gefahr der Verschleppung von Keimen verbleibt. Gemessen wird hierbei die größte Länge und Breite der Wunde – orientiert nach den Körperachsen. Nach der Messung wird das Papierlineal weggeworfen.

Einsatz von Folien

Mit sterilen doppelten Transparentfolien kann der exakte Wundumriss abgebildet werden. Es wird empfohlen, gerasterte Folien einzusetzen. Diese sind mit einem Karomuster versehen. Jedes Quadrat entspricht 1 cm². Die Wundgröße kann so durch einfaches Zählen der Quadrate ermittelt werden. Berücksichtigt werden im Übrigen nur Quadrate, die mehr als zur Hälfte umrandet sind.

Mit einem Folienstift wird der Wundrand nachgezeichnet und somit abgebildet. Hierbei ist darauf zu achten, dass mit dem Stift kein Druck auf die Wunde ausgeübt wird. Die Folie wird mit dem Erstellungsdatum versehen. Der nichtkontaminierte Teil der Folie wird abgezogen und der Wunddokumentation beigefügt. Die auf der Wunde verbleibende Folie wird entsorgt.

Volumenbestimmung durch Auslitern

Wenn die Wunde besonders tief ist oder Wundhöhlen aufweist, ist das „Auslitern“ eine Methode, die häufig zur Wundvolumenmessung eingesetzt wird. Hier wird die Wunde mit einer sterilen selbsthaftenden Folie bedeckt. Dann wird durch die Folie hindurch Ringer- oder physiologische Kochsalzlösung in die Wunde injiziert – wobei die injizierte Menge dem Wundvolumen entspricht. Nebenbei hat diese Messmethode noch den positiven Effekt, dass die Wunde gespült wird. Es muss allerdings sehr darauf geachtet werden, dass die Wunde selbst nicht durch die Kanüle verletzt wird.

Das approximierte konische Wundvolumen kann auch nach der Formel Länge x Breite x Höhe x 0,26 berechnet werden. Bei tiefen Wunden muss eine gesonderte Tiefenmessung mittels zusätzlicher Sondierung vorgenommen werden.

Palpation

Bei dieser Methode wird die Wunde mittels Watteträger oder Tiefensensoren ertastet. Manchmal werden auch Pinzetten eingesetzt. Die Methode birgt für den Betroffenen ein Schmerz- und Verletzungsrisiko. Außerdem können Wattereste in der Wunde verbleiben, diese verunreinigen und den Therapieerfolg gefährden. Aufgrund dieser Risiken wird von dieser Messmethode eher abgeraten. Erforderlichenfalls sollte sie nur von speziell fortgebildeten Fachkräften angewendet werden.

Wundgrund

Der Wundgrund wird in der Regel nach seiner Farbbeschaffenheit beschrieben. Hier eignet sich das Dreifarbenmodell (gelb, rot, schwarz). Farbmessungen können per Augenschein, aber auch per Fotografie vorgenommen werden. Von der letzteren wird aber eher abgeraten, da die technischen Messungen oftmals unzuverlässig sind. Grundsätzlich wird eine Beschreibung des Wundgrundes nach der Wundreinigung vorgenommen.

Exsudat und Geruch

Zur Messung und Beschreibung von Exsudat und Geruch gibt es leider keine wissenschaftlich belegten Methoden. Der Expertenstandard „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“ empfiehlt, das auftretende Wundexsudat nach Typ und Menge zu beschrieben. Zur objektiven Erfassung des Wundgeruchs wurden noch keine praktikablen Instrumente entwickelt. Der Geruch wird laut Expertenstandard als „kein“, „leicht“ und „widerwärtig“ beschrieben.

Beschaffenheit der Wundränder und Wundumgebung

Es gibt bisher keine einheitliche Definition des Wundrandes. Der Expertenstandard definiert den Wundrand als Übergang von der Wunde zur intakten Haut. Der Zustand des Wundrandes erlaubt Rückschlüsse auf Wundheilungsstörungen, wie beispielsweise die Bildung von Nekrosen und Einblutungen durch nicht ausreichende Druckentlastung. Zur Beschreibung der Beschaffenheit des Wundrandes liegen verschiedene Empfehlungen.

Auch zur Wundumgebung gibt es keine einheitliche Definition. Unter ihr ist die unmittelbare Umgebung des Wundrandes zu verstehen. Sie kann z.B. durch „Rötung“, „Schwellung“, „Mazeration“, „trockene Haut“, Feuchtigkeit, Farbe und Wärme beschrieben werden. Aus der Beschaffenheit der Wundumgebung lassen sich z.B. Rückschlüsse auf Infektionen, mangelnde Druckentlastung oder Hautirritationen durch Kompressionsstrümpfe ziehen.

Wunddauer und Wundlokalisation

Mit der Wunddauer ist der Zeitraum vom Auftreten der Wunde bis zur aktuellen Einschätzung gemeint. Sie ist zur Beurteilung der mit der Wunde einhergehenden Belastungen, Einschränkungen und des Versorgungsaufwandes notwendig. Sie wird durch die üblichen Verfahren der Zeitmessung in Tagen, Wochen und Monaten beschrieben. Die Wundlokalisation erfolgt durch verbale und auch grafische Dokumentation.

Rezidive

Die Häufigkeit des Wiederauftretens einer Wunde nach einer erfolgten Abheilung wird als Rezidive bezeichnet. Unzureichende Behandlung der Grunderkrankung oder mangelnde Prävention können Ursachen für häufige Rezidive sein. In der Anamnese werden zum einen die Zahl der Rezidive und zum anderen die rezidivfreie Zeit in Monaten erfasst.

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