Fachwissen für Pflegekräfte: Welche Einflussfaktoren auf den Wundheilungsprozess gibt es?

In diesem Artikel erläutern wir die verschiedenen Einflussfaktoren für den Heilungsprozess, zum Beispiel die psychische Situation, die Kommunikation und andere individuelle Gegebenheiten.

Psychische Situation

Die psychische Situation von Menschen mit chronischen Wunden ist verändert. Diverse Studien beschreiben unterschiedliche Phänomene.

Menschen mit chronischen Wunden müssen zunächst lernen, die Wunde anzunehmen und die veränderte Lebenssituation als solche zu erkennen. Ihr Lebensalltag ist in erheblichem Maße eingeschränkt. Eine eingeschränkte Mobilität oder das zeitliche Gebundensein, wenn die Pflegekräfte kommen, der unangenehme Geruch und das Exsudat der Wunde veranlassen die Betroffenen sich zurückzuziehen. Sie nehmen weniger soziale Kontakte war und erleben einen Verlust der Unabhängigkeit. Sie verlieren den Kontakt nach außen und das Vertrauen in die Umwelt. Menschen mit chronischen Wunden müssen akzeptieren, dass sie Hilfe und Pflege brauchen. Oft stellt die Pflegekraft den einzigen Kontakt zur Außenwelt dar. Bei dieser Konstellation wird der Betroffene wenig an einer Abheilung der Wunde interessiert sein. Es ist wichtig, dieses Phänomen zu kennen.

Es ist auch psychisch belastend mit Schmerzen unterschiedlicher Art leben zu müssen. Oft haben diese Menschen Schuldgefühle sich selbst gegenüber und werfen sich vor, die Symptome nicht früher ernst genommen zu haben. Daraus resultiert ein Nachdenken über die Grunderkrankung, woraus ebenfalls Maßnahmen folgen können, den Alltag zu verändern. Es ändern sich nicht selten die Schlafgewohnheiten, das Essverhalten oder sogar die komplette Lebensführung. Oft wird von den Betroffenen beschrieben, dass die Pflegekräfte nicht wahrhaftig sind und z.B. den unangenehmen Geruch leugnen. Dies machen die Pflegekräfte, um den Menschen zu schonen. Dennoch bewirkt diese falsche Äußerung, dass die Menschen das Vertrauen verlieren und sich schämen.

Auch ein verändertes Körperbild ist oft die Folge. Frauen haben nicht selten das Gefühl, ihre Weiblichkeit aufgrund der Wundsituation verloren zu haben. Daraus resultiert eine allgemeine Hoffnungslosigkeit.

Bei Menschen in besonderen Lebenslagen ist die Versorgung der Wunden um vieles schwieriger, denn damit gehen oft eine geschwächte Immunabwehr, ein schlechterer Ernährungszustand und eine herabgesetzte Compliance einher. Dies ist z.B. bei Menschen mit Nikotin- und Alkoholabusus, mit psychischen Erkrankungen oder Demenzerscheinungen der Fall.

Bei Menschen mit Demenz kann es z.B. sinnvoll sein, einen „Ablenkungsverband“ z.B. am Handgelenk anzulegen. So wird die Aufmerksamkeit von der eigentlichen Wunde abgewendet. Menschen mit Demenz neigen dazu, Wundauflagen zu entfernen und so den Wundheilungsprozess ständig zu stören. Mit einer farbigen Kohäsivbinde kann der „Ablenkungsverband“ zusätzlich in das Blickfeld des Betroffenen gerückt werden. Das ist eine gute Art, die eigentliche Wunde zu schonen und den Wundheilungsprozess ohne Störungen verlaufen zu lassen.

Kommunikation

Die am Wundheilungsprozess beteiligten Personen (Betroffener, Pflegekraft, Arzt, andere Professionen) tauschen Informationen aus und müssen kommunizieren. Zur Kommunikation gehört das Auseinandersetzen des Menschen mit seiner Umwelt. Nicht nur das gesprochene Wort ist von Bedeutung, sondern alle paralingualen Phänomene (z.B. Lachen, Seufzen, Schnelligkeit der Sprache, Tonfall), die Körpersprache und die Körperhaltung. Man kann auch sagen, das gesamte Verhalten eines Menschen spielt eine Rolle. Nicht nur das Gesagte bzw. das Gemeinte ist wichtig, sondern das, was beim Empfänger ankommt. Es können auch Dinge vermittelt werden, die gar nicht gesendet werden sollten („Man kann nicht nicht kommunizieren“, Watzlawick et al., 1990). Man hat in den letzten Jahren festgestellt, dass die Kommunikation in allen Heilberufen von großer Bedeutung ist. Neben den körperlichen direkten Untersuchungen ist die Kommunikation die zweitwichtigste Erkenntnisquelle für die Medizin und die Pflege. Für die Anamnese, die Diagnosestellung, die Therapie, die Compliance und den gesamten Heilungsprozess ist der Informationsaustausch von immenser Bedeutung. Auch verläuft der Prozess der Heilung erfolgversprechender, wenn eine Ansprache in Form der Kommunikation stattfindet. Es kann natürlich auch das Gegenteil eintreten. Die Kommunikation kann sich auch negativ auf den Heilungsverlauf auswirken. Wenn beispielsweise eine bestimmte Krankheit diagnostiziert wird, wird der Betreffende von nun an sehr viel mehr auf die Symptome dieser Erkrankung achten als zuvor, als er noch gar nicht von der Erkrankung wusste. Deshalb ist es äußerst wichtig, sehr sorgsam zu kommunizieren. Allen Beteiligten sollte stets bewusst sein, was sie durch verbale und nonverbale Kommunikation auslösen können.

Der Gesundheitsbegriff hat sich in den letzten Jahren gewandelt und so spielen Prophylaxe, Prävention und Gesundheitsförderung eine zunehmende Rolle. Auch der Mensch mit seiner Erkrankung nimmt eine neue Rolle ein. Er ist nun der informierte Patient, der mitarbeiten soll, Selbstverantwortung trägt und ein Informationsrecht hat. All dies kann nur erreicht und durchgeführt werden, wenn die Information und Beteiligung des Betroffenen einen höheren Stellenwert einnimmt und stärker berücksichtigt wird.

Für den Arzt ist es wichtig zu wissen, wie die Lebenssituation, die Schmerzsituation etc. bei dem Betroffenen sind. Er ist darauf angewiesen, dass er durch kommunikative Interaktion seine Fragen bezüglich der Wunde beantwortet bekommt. Nur so kann er sich ein ganzheitliches Bild verschaffen und eine angepasste Therapie ansetzen. Auch ist es für den Betroffenen wichtig, alle Mitteilungen des Arztes verstehen zu können. Durch diese Kommunikation kann der Mensch mit seiner Wunde zur Mitarbeit angeleitet werden diese auch verstehen und sich dadurch aktiv am Heilungsprozess beteiligen. Eine andere Kommunikation ist die zwischen Arzt und Pflegepersonal. Das Pflegepersonal ist angewiesen auf das Verordnen von Wundauflagen, Hilfsmitteln und Medikamenten etc. und kann hier die Kommunikation zu ihren Gunsten oder Ungunsten nutzen. Ebenfalls benötigt der Arzt von Seiten der Pflege Informationen, um adäquat auf die Krankheitssituation reagieren zu können (z.B. Informationen zu den Essgewohnheiten, das Wirken von Medikamenten im individuellen Fall etc.).

Bei Menschen, die nicht mehr in der Lage sind, verbal zu kommunizieren, können ganz einfache Hilfen in Anspruch genommen werden. Leicht gelingt der Informationsaustausch durch simple Ja-Nein-Fragen oder das Arbeiten mit Bildern.

Sonstige Einflüsse

Es gibt – neben Ernährung, Schmerz, der psychischen Situation und der Kommunikation – noch einige weitere tangierende Faktoren, die den Wundheilungsprozess beeinflussen. An dieser Stelle soll nur kurz auf noch weitere beeinflussende Größen eingegangen werden.

Alter des Betroffenen

Je älter ein Mensch ist, desto langsamer sind die Zellaktivität und die Zellteilungsrate, d.h. mit zunehmendem Alter verlangsamt sich der Heilungsprozess. Die Fähigkeit auf Reparation bleibt erhalten, ist aber in hohem Alter herabgesetzt. Dies liegt jedoch nicht allein am Alter selbst, sondern an der häufig damit einhergehenden Multimorbidität. Diese wiederum bringt oft eine Mangelernährung und eine schlechte Immunabwehr etc. mit sich.

Immunstatus

Um eine Wundheilung zu erzielen, benötigt der Organismus eine gute Immunabwehr. Ist die Abwehr geschwächt, kommt es häufig zu Wundheilungsstörungen und damit oft zu Infektionen.

Erkrankungen

Es gibt akute oder chronische Erkrankungen, die sich sehr negativ auf die Wundheilung auswirken können. So haben z.B. Tumore, Infektionen aller Art oder auch Autoimmunerkrankungen eine heilungshemmende Wirkung. Problematisch kann es auch bei Stoffwechselerkrankungen (z.B. Diabetes mellitus), Bindegewebserkrankungen oder Gefäßerkrankungen (z.B. pAVK, venöse Insuffizienz) werden. Oft sind auch diese erwähnten Erkrankungen selbst Initiatoren von Ulzerationen.

Medikamente

Beim Thema Schmerzsituation wurde schon auf einige Wirkstoffe eingegangen, die positiven Einfluss auf die empfundenen Schmerzen haben. Aber wie wirken sich diese und andere Medikamente auf die Wundheilung aus? Es kann festgestellt werden, dass Zytostatika die Zellteilung hemmen, nichtsteroidale Antirheumatika und Glukokortikoide gestörte Entzündungsprozesse hervorrufen, Immunsuppressiva eine gestörte Immunabwehr und Antikoagulantien eine verminderte Blutgerinnung hervorrufen. Nicht immer kann sofort auf eines dieser Präparate verzichtet werden. So muss Schaden und Nutzen, Chance und Risiko abgewogen werden. Bedeutend sind hier die Dosis, die Dauer und der Zeitpunkt der Medikation.

Direkte Wundfaktoren

Hier spielen folgende Faktoren eine Rolle:

  • Wo konkret ist die Wunde am Körper lokalisiert (z.B. im Genitalbereich besteht eine erhöhte Infektionsanfälligkeit; gut durchblutete Körperregionen wie der Gesichtsbereich heilen leichter ab)?
  • Die Sauerstoffversorgung ist von Bedeutung.
  • Die Feuchtigkeit ist wichtig.
  • Die Temperatur der Wunde ist bedeutsam.
  • Fremdkörper sind zu beachten.
  • Komplikationen der Wundheilung (Infektion, Serome, Hämatome, Nekrosen etc.).
  • Eine falsche Wundtherapie kann schaden.

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