Stationäre Pflege

Kliniksterben: Vor allem in ländlichen Bereichen fehlen Investitionen

318 Kliniken wurden bundesweit in den vergangenen 20 Jahren geschlossen – ein Ende ist nicht in Sicht. Dr. Gerald Gaß, der neue Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), möchte sich mit allen Mitteln für den Erhalt auch kleinerer Kliniken gerade in den ländlicheren Regionen einsetzen. Doch ohne massiv Geld in die Hand zu nehmen, wird es sicher nicht gelingen.

Dr. Gerald Gaß beziffert den absehbaren Finanzbedarf für dieses Vorhaben mit rund 5 Milliarden Euro Mehrkosten – davon allein 3 Milliarden Euro für den Investitionsstau in rund 2.000 Kliniken. Mit einer Einsparung von 25.000 Pflegestellen in Deutschland seit 1995 verschärften sich die Folgen des ohnehin schon steigenden Krankenstandes und des Durchschnittsalters in Deutschland.

300 Überstunden sind bei Pflegekräften keine Seltenheit. Diese Überlastung führt häufig zu einem hohen Krankenstand in den Reihen der Pflegekräfte selbst, was wiederum oftmals übergangene Krankheiten mit sich bringt. Diese Tatsache zieht wiederum Folgen nach sich, wie beispielsweise plötzliche Zusammenbrüche, sogar am Arbeitsplatz, oder einen Burnout.

Aber auch in den persönlichen Beziehungen der Pflegekräfte, insbesondere in den Lebenspartnerschaften, findet dieser Notstand seinen Niederschlag, bis hin zu negativen Folgen in der Kindererziehung. Nicht selten brechen deshalb auch Familien auseinander.

Die zugrunde liegenden Engpässe greifen zunehmend um sich und gefährden sogar Patienten. Doch Warnmeldungen (sogenannte Gefährdungsanzeigen) seitens des Personals an die Klinikleitungen werden oft ignoriert oder sogar abgestraft.

In Rheinland-Pfalz besonders drastische Konsequenzen befürchtet

Die Ursachen dafür sind auch in der Politik zu suchen. Denn durchgreifende Einsparungen werden zur Überlebensfrage für die Kliniken.

Neben der Tatsache, dass in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zu wenig auf effiziente Prävention gesetzt wurde, was uns nun in der Gegenwart einen vergleichsweise hohen Krankenstand insbesondere an Zivilisationskrankheiten beschert hat, kommt bei der Versorgung dieses hohen Krankenstandes ein weiterer folgenschwerer Zug zum Tragen.

Das System zwingt alle Krankenhäuser dazu, in weiterem Umfang zu sparen, als es dem gewünschten Effekt zuträglich ist.

Weil die Kosten der Krankenversorgung stetig weiter steigen, sollen unwirtschaftliche Häuser nach dem Willen der Politik nicht überleben. 500 Betten sind hier der zurzeit in den Medien kursierende Grenzwert bezüglich der Wirtschaftlichkeit. Für Rheinland-Pfalz, wo es fast nur Kliniken unter 500 Betten gibt, wäre dies eine absurde Herangehensweise.

Doch noch zusätzlich erschwerend in diesem Zusammenhang ist, dass es bereits in einigen Kliniken – auch in größeren Städten – zu Bettensperrungen wegen Personalmangels gekommen ist, also zu Stilllegungen von vorhandenen Kapazitäten, da ein weiteres Belegen dieser mit einer Gefährdung der Patienten wegen mangelnder Betreuung einhergehen würde. Ist erst einmal diese Phase der Austrocknung erreicht, kann es selbstredend zu einer regelrechten Abwärtsspirale kommen. Unwirtschaftlichkeit bringt Verschuldung, Verschuldung bringt Personalabbau, zu wenig Personal bedingt Bettensperrungen, dies wiederum weniger Umsatz und so noch größere Unwirtschaftlichkeit und Verschuldung.

Als sich die Ansicht, dass unwirtschaftliche Häuser nicht überleben sollen, insbesondere, da anzunehmen sei, dass die Kosten des Gesundheitssystems noch weiter steigen werden, im politischen Konzept durchgesetzt hatte, brachte die Bundesregierung die Kliniken in einen Konkurrenzkampf untereinander – mit der Folge, dass nun die weniger wirtschaftlichen Häuser langsam finanziell ausbluten. Ein Instrument dazu ist die sogenannte Fallpauschale. So kann sich die Politik das negative Image ersparen, sie selbst per Anordnung zu schließen.

14 Jahre existiert nun schon das System der Fallpauschalen, das die Grundlage der Finanzierung der Kliniken bildet.Für jede Behandlung beziehungsweise jeden Klinikaufenthalt, also jeden Krankheitsfall, wird ein bestimmtes, festgeschriebenes Honorar ausgezahlt. Die festgelegte Höhe der Honorare, also der übernommenen Kosten, orientiert sich jeweils am Durchschnitt ausgewählter Kliniken.

Dies sind meist große Häuser, die effizienter wirtschaften können.

Hat nun eine Klinik höhere Kosten als die zum Standard erklärten Durchschnittswerte, also im Vergleich zu hohe Kosten bei der Leistungserbringung, decken die dafür gezahlten Pauschalen nicht die tatsächlich entstandenen Kosten – die Klinik macht Verlust.

Dies führt im dadurch entstehenden Überlebenskampf unter anderem beispielsweise dazu, dass Kliniken die Zahl der ausgeführten Operationen maximieren, so weit, wie es eben nur geht.

Auslastung vor allem in ländlichen Bereichen unzureichend

Oftmals ist aber auch fehlende Auslastung gerade bei ländlicher gelegenen Kliniken oder spezialisierten Fachkliniken die Ursache der finanziellen Schieflage, wie z. B. bei den Helios-Kliniken in Bad Schwalbach und Diez. Besonderes Reizthema ist hier die Notfallversorgung in der Region, die im Falle einer Schließung in ihrer Effizienz – Zeit ist Leben – infrage gestellt würde. Längere Wege sind eben für Notfallpatienten oftmals das Todesurteil. Mitarbeiter und Bürger fanden sich daher ein, um zu demonstrieren, unter anderem mit dem eingängigen Argument: „Kurze Wege retten Leben.“

Auch hier regt sich Widerstand wie in der Berliner Charité, an der Pflegekräfte mit Streiks nun festgelegte Personalschlüssel durchgesetzt haben. Auch an Kliniken in Bayern und Baden-Württemberg, in Norddeutschland und Nordrhein-Westfalen setzt man sich zur Wehr: in Augsburg, Dachau, Düsseldorf, Essen, Freiburg, Hannover, Heidelberg, Tübingen und Ulm.

Hier schlugen sogar Versuche seitens der Krankenhausbetreiber fehl, per Gericht die Streiks zu verhindern.

Fazit

Es wird auch in Zukunft, auch im Fall finanzieller Engpässe, wohl mit Bedacht abzuwägen sein, wie weite Wege der Bevölkerung im Notfall zuzumuten sind, um eine Klinik zu erreichen. Ebenso hilfreich wäre es, die Finanzflüsse der Öffentlichkeit transparenter zu machen. Nur so kann eine ehrliche und mündige Diskussion zum Wohle aller in Gang kommen.

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