Pflegekräfte-Mangel

Der Pflegenotstand nimmt alarmierende Ausmaße an – was kann dagegen unternommen werden?

Die Anzahl pflegebedürftiger Menschen wird sich in den nächsten 30 Jahren mehr als verdoppeln, der Bedarf an Pflegekräften mehr als verdreifachen, während die Jahrgänge der Jüngeren in den letzten Dekaden kontinuierlich zahlenmäßig immer schwächer geworden sind. Ein sehr starkes Missverhältnis zwischen Pflegekräften und Pflegebedürftigen zeichnet sich ab – und dies noch deutlicher, als es ohnehin jetzt schon der Fall ist. Wie kann dies alles zusammengehen? Was kann getan werden, um die sich abzeichnende Versorgungskatastrophe im Pflegebereich zu verhindern?

Bis 2050 werden 4 Millionen zunehmend ältere, chronisch kranke und demente Patienten zu pflegen sein. Die finanzielle Belastung der jungen Bürger wird dadurch insbesondere angesichts der sinkenden Geburtenzahlen auch proportional immer mehr ansteigen. Gleichzeitig wird absehbar auch die Zahl derer sinken, welche in den Pflegeberuf eintreten werden. Das Pflegepersonal wird somit immer älter und weniger, die beruflichen Belastungen andererseits aber immer zahlreicher und intensiver.

Hinzu kommt, dass durch die Altersstrukturentwicklung, welche ein Missverhältnis zwischen Jung und Alt bezüglich der Finanzierung der Pflegeleistungen sowie in den Zahlenverhältnissen der professionellen Versorgung mit sich bringt, gleichzeitig auch die derzeit noch stark vertretene häusliche Versorgung durch Angehörige wie die durch die eigenen Kinder immer weiter zurückgehen wird.

Während hier derzeit noch der eigene Familienkreis wie Kinder, Ehe- und Lebenspartner oder weitere Angehörige einspringt und hilft, die Kosten für die staatlichen oder privaten finanziellen Träger klein zu halten, wird diese Version der Notüberbrückung, die es vielfach leider lediglich ist, wahrscheinlich immer mehr zur Seltenheit werden. Bereits heute sinkt die Anzahl derer, welche das Glück im Unglück haben, durch die Pflegebereitschaft der eigenen Familie im gewohnten häuslichen Umfeld bleiben zu können.

Familiäre Strukturen werden immer seltener

Hinzu kommt weiterhin, dass das rein rechnerische demografisch bedingte Missverhältnis von Pflegekräften zu Pflegebedürftigen durch soziostrukturelle Entwicklungen weiter verschärft wird. Gemeint ist hier beispielsweise eine zunehmend individualisierte Haushalts- und Familienstruktur, welche bereits zu einem sehr kritisch betrachteten Inbegriff der Vereinsamung geworden ist: der Einpersonenhaushalt. Weiterhin wird die wachsende Frauenerwerbsquote die familiär organisierte Pflege durch weibliche Angehörige zusätzlich deutlich vermindern.

So ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die derzeit noch stark vertretene familiäre Pflege zunehmend in professionelle verwandeln wird. Der Bedarf an Pflegekräften steigt also absehbar ganz deutlich und wird immer dringender, wobei der Anteil der stationären Versorgung etwa viermal so hoch sein wird wie im ambulanten Bereich. Die beiden gegenläufigen Entwicklungen – stetig sinkendes Pflegepotenzial bei stetig wachsender Pflegebedürftigkeit – werden zwingend zu exorbitanten Engpässen und absehbar auch gerade als Folge daraus zu einer immer mangelhafteren Qualität und fehlender Menschlichkeit in der Pflege führen.

Wie ist diese Entwicklung noch positiv zu beeinflussen, vielleicht sogar abzuwenden?

Am demografischen Wandel in Deutschland und dem sich daraus ergebenden anwachsenden Bedarf an professionellen Pflegekräften ist selbstredend nichts zu ändern. Eine mögliche Lösung wäre, statt den derzeit scharf voneinander abgegrenzten Formen von stationärer, professioneller ambulanter und rein familiärer Pflege ein Nebeneinander dieser Formen zuzulassen in gemischten Pflegearrangements, die die Pflege durch professionelle ambulante Dienste, Familien und Ehrenamtliche kombinieren. Ohne was es aber sicherlich nicht geht: eine Bildungsoffensive im Bereich der Pflege. Ohne sie wird der Bedarf an beruflich Pflegenden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gedeckt werden können, denn der Bedarf allein an stationären Pflegekräften wird sich bis 2050 verdreifachen.

Eine Erhöhung der Attraktivität des Berufs ist dringend notwendig, Karriereperspektiven müssen eröffnet werden und es ist viel deutlicher zu kommunizieren, dass es sich beim Pflegebereich nicht nur um eine produktive Wachstumsbranche handelt, sondern auch, dass es um eine bedeutsame, lebenswichtige gesellschaftliche Aufgabe und somit um eine große Verantwortung dem Gemeinwohl und Zusammenleben gegenüber geht. Dass die Arbeit in der Pflege einen respektablen und für das Miteinander in der Gesellschaft integralen Bestandteil der Arbeitswelt darstellt.

So rückt das Thema der Gesundheitsvorsorge nicht nur im privaten Umfeld zunehmend ins Licht der Aufmerksamkeit. Auch im Arbeitsleben müssen Arbeitgeber und Berufsgenossenschaften deutlich mehr für Prävention sorgen, damit Pflegekräfte so lange wie möglich gesund und motiviert in ihrem Beruf arbeiten können und wollen.

Es gibt viel zu tun

Es gibt also auf allen beteiligten Ebenen noch sehr viel zu tun, um den sich abzeichnenden demografischen Wandel so gut wie möglich zu bewältigen. Soziale und demografische Veränderungen sind nicht abzuwenden. Doch Arbeitgeber wie Pflegekräfte, Politik wie die gesamte Gesellschaft sollten und müssen in den verbleibenden Jahren jene Möglichkeiten entwickeln, die auch unter den sich stark verändernden Bedingungen es machbar werden lassen, Pflegebedürftige weiterhin qualitativ hochwertig und menschenwürdig zu versorgen.

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