Pflegeroboter sollen noch dieses Jahr in Garmischer Seniorenheim zum Probedienst antreten

„Justin“ und „Edan“ – so heißen die ersten Roboter, die nun probeweise bei der Pflege helfend zur Seite stehen sollen. Ein Projekt mit Zukunft?

Bereits im Juni hatten wir von einer futuristisch anmutenden Testphase im fernen Japan berichtet: Dort sollen Pflegeroboter künftig den Personalnotstand in der professionellen Pflege bekämpfen helfen. In Japan scheint diese Entwicklung vor allem durch die dortige Roboter-Affinität schneller umsetzbar als im eher roboterskeptischen Europa. Aber nun präsentierten das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) und die Caritas ein ernst zu nehmendes Konzept, wie unlängst der BR veröffentlichte.

Ursprünglich waren „Justin“ und „Edan“ für Weltraummissionen entwickelt worden. Aber ihre Fähigkeiten sind ebenso gut in anderen Bereichen einsetzbar, in denen Menschen zur Hand gegangen werden soll. Und da scheint angesichts des Pflegenotstands besonders in der stationären Pflege jede Hilfe willkommen – selbst eine aus dem Weltall.

Mit zarten Handgriffen unterstützen statt ersetzen

Justin und Edan wären absolut Star-Wars-tauglich, was ihre äußere Erscheinung angeht. Chromfarbene Außenhaut, blaues Lichterspiel und weiche, menschenähnliche Konturen. Dazu sind sie vollgestopft mit Sensoren, Prozessoren und Hochleistungs-Chips. Ihre fünf Finger bewegen sie beispielsweise mit viel Gefühl und mit einer Motorik, die sie den meisten ihrer künftigen Schützlinge voraushaben.

Dadurch sind sie perfekt für Handlangertätigkeiten geeignet, die etwa bei der Versorgung der Patienten mit Getränken und Nahrung oder dem Wäschewechsel das echte Pflegepersonal zeitlich stark einengen. Würden die menschlichen Pflegeprofis von zahlreichen Routinehandgriffen entlastet, bliebe ihnen deutlich mehr Zeit für die persönliche Betreuung ihrer Patienten. Ein weiteres „Betätigungsfeld“ der elektronischen Hilfspfleger ist die Unterstützung bei der Mobilität.

So könnten Roboter wie Justin und Edan Pflegeheimbewohnern als stets einsatzbereite Stützen dienen, die den Weg in die Nasszelle oder zum nächsten Physio-Termin erleichtern. So die grundsätzliche Idee, die den Pflegeroboter als Unterstützung sieht, nicht als Ersatz eines ausgebildeten Pflegers.

Pflegebedürftigkeit steigt rapide an

Nach validem Zahlenmaterial der Caritas München stehen bereits heute die Kapazitäten an Pflegekräften für die Versorgung von Bedürftigen in keinem Verhältnis zur großen Anzahl derer, die Pflege benötigen. Von knapp 3 Millionen Menschen geht die Caritas heute aus. Rechnet man die Zahl aufgrund der gesellschaftlichen Daten hoch, sind es bereits 2030 mehr als 3,6 Millionen Pflegebedürftige – also ein Zuwachs von mehr als 20 Prozent.

Daher zeigt sich die Caritas der Erzdiözese München auch offen für neue Konzepte und sieht sich als einer der größten Pflegeanbieter Deutschlands in der Pflicht, mutige und neue Wege zu gehen. Dabei könnten die Pflegeroboter eine wichtige Rolle spielen, wenngleich die Vorstellung, dass Justin und Edan schon bald mit einem freundlichen „Guten Morgen“ auf den Blechlippen die Frühstücktabletts verteilen, noch etwas befremdlich anmutet.

Fest steht: Sie könnten das schon heute, denn in jedem der beiden Blechpfleger stecken über zehn Jahre intensive Forschung – und natürlich jede Menge Forschungsgeld. Die Versuchsroboter laufen auf stabilen Rädern und empfangen ihre Befehle entweder durch Muskelimpulse oder durch Fernsteuerung, beispielsweise auch von einem völlig anderen Ort. Darüber hinaus reagieren sie prompt auf Berührung – ein wichtiger Aspekt, denn ohne diese Funktion, bei Berührung sofort innezuhalten, könnten sie ihren Schützlingen durchaus gefährlich werden.

Auch die Caritas der Erzdiözese Köln ist bereits auf Tuchfühlung mit dem Roboter als Pflegehelfer. Hier wurde in diesem Jahr bereits probeweise mit „Pepper“ gearbeitet, einem Serienroboter, der 2017 präsentiert wurde. Im Versuch wurde Pepper allerdings mehr im Bereich Freizeitgestaltung als in der handfesten Pflegeunterstützung tätig – Pepper wurde vornehmlich dafür eingesetzt, sein Auditorium mit Gedächtnis-Trainings, Thai Chi oder mit musikalischen Einlagen während der gemeinschaftlichen Unterhaltungsstunden bei Laune zu halten.

Mehr Freiheit – weniger Scham

Ein besonderer Aspekt kommt hinzu, wenn man sich in die Lage der Menschen versetzt, die künftig die Dienste von Justin oder Edan nutzen könnten. Denn statt einen vermutlich stark beschäftigten Pfleger zu alarmieren, weil ein nächtlicher Toilettengang ansteht oder die Liegeposition Druckstellen verursacht, wäre die Hemmschwelle, einen Roboter zu Hilfe zu rufen, für viele Pflegebedürftige deutlich geringer. Justin und Edan würden so für mehr Freiheit und ein besseres Gefühl bei Patienten sorgen, die ansonsten eher von dem Willen geprägt sind, möglichst wenige Umstände zu machen.

So erscheint das Garmischer Pilotprojekt als Schritt in die richtige Richtung. Allerdings erfordert es viel Fingerspitzengefühl, den Pflegebedürftigen die elektronischen Helfer als das zu präsentieren, was sie tatsächlich sind: ein Substitut für eine menschlich geprägte Pflege, in der ausgebildete Profis mit menschlichem Antlitz sich um die Bedürftigen kümmern.

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