Pflege im Visier der Kriminellen

Steigender Pflegebetrug – wie kreative Kriminelle aus den Löchern gelockt werden

Immer wieder geraten Pflegedienste ins Blickfeld der Behörden und der Öffentlichkeit, weil sie dreist betrügen oder zumindest bei Abrechnungen herumtricksen. Es handelt sich dabei zwar nur um eine kleine Minderheit. Diese richten aber bereits einen Millionen-Schaden an. Wie gehen die überführten oder mutmaßlichen Betrüger dabei vor und warum ist so etwas überhaupt möglich?

Beispiel für einen dreisten Betrug

Der Fall der dieser Tage in die öffentliche Diskussion geratenen ukrainisch-russischen Betrügerbande ist ein Beispiel für die offenbar kreativen Möglichkeiten zum planmäßigen Betrug, die sich teilweise durch unzureichende Kontrollmechanismen ergeben. Auf 8,5 Millionen Euro wurde in diesem Fall ermittelt, 4,7 Millionen Euro stellte das Gericht am Ende in seinem Urteil fest.

Wenige Pflegepatienten sind dabei vorschriftsmäßig behandelt worden, der Großteil hat nur einen Bruchteil der Leistungen erhalten. »Patienten«, die im System mitgespielt haben, wurden von der Betrügerbande Putzdienste, Friseurbesuche oder Maniküre bezahlt, anstatt dass die abgerechnete Pflege geleistet wurde.

Offen angepriesen wurde diesbezüglich sogar, dass es die Stärke der Pflegedienste sei, Leistungen durch andere Leistungen zu ersetzen. Ein weiteres Ergebnis der Nachforschungen war die Tatsache, dass mehrere Ärzte ebenfalls in das Betrugssystem eingebunden waren und dafür Bestechungsgelder kassiert haben.

Steuerberater brachte den Stein ins Rollen

Acht Jahre lang hat alles funktioniert. Sogar, obwohl in dieser Zeit ein Steuerberater sein Mandat niederlegte, nachdem ihm offensichtliche Scheinrechnungen zur Bearbeitung vorgelegt worden waren. Der anschließenden Betriebsprüfung durch das Finanzamt blieb die Faktenlage aber anscheinend verborgen, nachdem die Unterlagen noch rechtzeitig bereinigt werden konnten. Die Begehung der Taten sei den Angeklagten, so das Gericht, mangels ausreichender Kontrolle der Pflegeleistungen erleichtert worden.

Somit verurteilte das Düsseldorfer Landgericht sämtliche neun Angeklagten zu bis zu sieben Jahren Haft. Fünf der neun Angeklagten hatten Geständnisse abgelegt. Zwei der neun Angeklagten erhielten eine Strafe von zwei Jahren Haft auf Bewährung. Unter der Kronzeugenregelung erhielt eine Geschäftsführerin, die als Erste ein Geständnis abgelegt hatte, zwei Jahre und elf Monate Haft. Die meisten Angeklagten stammen zwar aus Russland oder der Ukraine, Hinweise darauf, dass bekannte Mafiagruppen dahinterstecken, fanden sich dennoch nicht. Lediglich bestätigte das Gericht gewerbsmäßigen, organisierten Bandenbetrug und Geldwäsche.

BKA hat etliche Dienste im Visier

Der aktuelle Pflege-Qualitätsbericht stellt bei rund einem Drittel der Pflegedienste Auffälligkeiten bezüglich der Abrechnung fest, gegen die der Gesetzgeber zu wenig unternehme, um Betrüger im Pflegebereich aufzuspüren und rechtlich gegen sie vorzugehen, heißt es in einer Darstellung der Stiftung Patientenschutz.

Geschädigte sind so am Ende über die belasteten Kommunen und Krankenkassen letztlich die Steuer- und Beitragszahler in Deutschland. 230 ambulante Pflegedienste standen zuletzt bundesweit unter Verdacht, betrügerisch abgerechnet zu haben. Nach einer älteren Schätzung des Bundeskriminalamts liegt der Schaden für die Sozialkassen bei mindestens einer Milliarde Euro pro Jahr.

Ebenso interessant ist besonders, dass im oben erwähnten Verfahren die damit betraute Staatsanwältin Petra Szczeponik äußerte, dass es wohl nicht gelingen werde, den beteiligten Ärzten den Prozess zu machen. Und ganz besonders interessant ist die mitgelieferte Begründung: »Wir sind auf eine Mauer des Schweigens gestoßen.«

Die meisten Pflegedienste sind seriös

Obwohl die überwiegende Mehrzahl der Pflegedienste seriös arbeitet, attestieren die Behörden eine steigende Tendenz zum Betrug. Interessant ist an dieser Stelle, dass eine vorgeschlagene »Weiße Liste«, in der die korrekt arbeitenden Pflegedienste aufgeführt werden sollten, bisher vom Verband der Pflegedienste abgelehnt wird.

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