Leseprobe: Demenz und Beziehungsgestaltung

5 Orientiert am VIPS-Modell: „Integrative Hauswirtschaft“ im Haus Bethesda 55 Fachkompetenz Pflege: Demenz und Beziehungsgestaltung Dass ein person-zentrierter Ansatz im Sinne des VIPS-Modells hingegen sehr wohl in der Praxis funktionieren kann, soll an einem einfachen Beispiel, dem Modell „Integrative Hauswirtschaft“ (Theodor-Fliedner-Stiftung 2018; Neld- ner 2017: 5f; Kostrzewa 2017c), veranschaulicht werden. Mit freundlicher Genehmigung der Theodor-Fliedner-Stiftung und der Einrichtungsleitung, Frau Neldner, können wir hier an dieser Stelle das Konzept der „Integrati- ven Hauswirtschaft“ aus dem Haus Bethesda in Ratingen abdrucken. Konzept: Das Modell „Integrative Hauswirtschaft“ Sprechen „klassische Demenzkonzepte“ eher die Mitarbeitenden der Pflege und der Sozialen Betreuung an, setzt dieses Modell zusätzlich auf die integrierende Funktion einer ganzheitlichen Hauswirtschaft in Einrichtungen für Menschen mit Demenz. Hier nutzen die Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz im Haus Bethesda ihre Mitarbeiterinnen der Hauswirtschaft auch für die Betreuungsarbeit. Die Küche ist das aktive Zentrum, das die interessierten Bewohner mit Demenz „anlockt“, um diese dann im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu integrieren. Bewohner werden somit nicht vonseiten der Mitarbeitenden aktiviert, in der Küche etwas zu tun, sondern es wird gewartet, bis der Bewohner seinerseits Interesse zeigt. Die offene Küche in der Wohngruppe stellt somit ein Angebot mit Aufforderungscharakter dar. Die Haus- wirtschaftskraft muss nun schauen und einschätzen, welche Aufgaben zu den jeweiligen Bewohnern pas- sen. Neben diesen aktiven Bewohnern gibt es aber auch die anderen, die nur zuschauen wollen – was hier, in den Wohngemeinschaften, als aktive Passivität bewertet wird. Diese zeigt sich durch Aufmerksamkeit, Beobachten, Kommentieren und Anteilnahme an den Alltagsgesprächen. Betreuungsaufgaben der Hauswirtschaftskraft: • Interessierte Bewohner/innen in einzelne Arbeiten im hauswirtschaftlichen Bereich zu integrieren, z. B. Backen, Tisch eindecken, Geschirrspülmaschine einräumen, Tische abwaschen, den Essenswagen aus der Zentralküche abholen oder Geschirrhandtücher falten • Gespräche mit oder zwischen den Bewohner/innen anregen Neben diesen aktiven Aufgaben obliegt der Hauswirtschaftskraft: • Auf biografische Äußerungen wie z. B. Anekdoten achten und diese zur Ergänzung der Biografie weiter- leiten. • Aktive Teilnahme an Fallbesprechungen Leitgedanken der hauswirtschaftlichen Betreuungsaufgaben Das Leitbild für die hauswirtschaftlichen Betreuungsaufgaben wird getragen von einem Menschenbild, das durch folgende Prinzipien geprägt ist: • Die Person des Menschen mit Demenz mit seinen aktuellen Bedürfnissen steht im Mittelpunkt der Arbeit. • Dem Menschen mit Demenz wird mit Respekt begegnet. • Die Betroffenen werden nicht auf Defizite hingewiesen und auch nicht korrigiert. • Über Wohlbefindensäußerungen erhält der zu Pflegende mit Demenz die Regie über das Pflege- und Betreuungsprogramm. • Mitarbeitende aktivieren nur mäßig und warten eher auf Eigeninitiativen der Menschen mit Demenz. Werden diese dann deutlich, wird versucht, diese Eigenaktivität in den Wohngruppenalltag zu integrie- ren. • Mitarbeitende stehen nicht im „Wettbewerb“ miteinander, wer die meisten Ressourcen aus dem Men- schen mit Demenz herausholen kann. • Bewohner, die beobachten, aber selber nicht aktiv eingreifen, werden als Menschen mit aktiver Passivität eingeschätzt. • Mitarbeitende (aller Funktionsbereiche) sind „nur“ Angebote, die man ablehnen darf. • Mitarbeitende der Wohngemeinschaften vertreten nicht die Einstellung, zu wissen, wie „man richtig dement ist“. Der Mensch mit Demenz ist der Experte für seine Demenz. • Angehörige der Menschen mit Demenz werden von Beginn an in die Gemeinschaft integriert, wenn sie es wollen.

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