Welchen Einfluss hat die Ernährung auf den Wundheilungsprozess?

Welchen Einfluss hat die Ernährung auf den Wundheilungsprozess?

Essen und Trinken ist für jeden Menschen von existenzieller Bedeutung. In diesem Artikel gehen wir der Frage nach, inwieweit sich ein entsprechend angepasster Ernährungsplan positiv auf den Heilungsprozess auswirken könnte.

Grundsätzliches zur Ernährung

Die Nahrung teilt sich auf in Makronährstoffe (Kohlenhydrate, Fette und Proteine) und in Mikronährstoffe (Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente). Außerdem benötigt jeder Mensch eine bestimmte Menge an Flüssigkeit pro Tag. Für Menschen mit chronischen Wunden ist eine optimale Ernährung unabdingbar für einen guten Wundheilungsprozess. Es müssen alle Stoffe in ausreichender Menge vorhanden sein, um eine gute Wundheilung herbeizuführen.

Ziele einer optimalen Ernährungstherapie sind:

  • Lebensqualität der Betroffenen verbessern
  • Wundheilung fördern
  • Infektionshäufigkeit und Folgeerkrankungen minimieren
  • Behandlungs- und Folgekosten senken

Menschen mit chronischen Wunden oder anderen Beeinträchtigungen haben einen erhöhten Energiebedarf pro Tag. Je nach Erkrankung ist der Grundumsatz pro Tag unterschiedlich stark erhöht. Der Wundheilungsprozess benötigt besonders viel Energie und Zellbaumaterial. In der Reinigungsphase findet ein Abbau von Proteinen statt (katabole Autolyse), indem die Wunde durch Ausschwemmung gereinigt wird. Die Granulationsphase ist bestimmt durch den Aufbaustoffwechsel. Es wird Kollagen aufgebaut und gut durchblutetes, rotes Granulationsgewebe wird sichtbar. Wenn in diesen beiden Phasen eine optimale Versorgung durch die oben genannten Nährstoffe gewährleistet ist, kann die Epithelisierungsphase beginnen. Die Wunde epithelisiert, d.h. neues Gewebe bildet sich vom Wundrand.

Nährstoffe und ihre Bedeutung bei der Wundheilung

Kohlenhydrate

Sie dienen der Energiezufuhr zur Aufrechterhaltung des Wundstoffwechsels. Die Wunde benötigt zur Wundheilung besonders viel Energie. Energie wird in der Nahrung mittels diverser Saccharide geliefert, wie z.B. Glukose, Fruktose sowie Ballaststoffe und Stärke. Sie kommen vorwiegend in pflanzlichen Nahrungsmitteln vor (Obst, Gemüse, Getreide, Hülsenfrüchte, Milch).

Fette

Sie dienen ebenfalls als Energielieferant und sind Bestandteil der Zellmembranen. Es gibt gesättigte und ungesättigte Fettsäuren. Wichtig ist, dass die ungesättigten Fettsäuren auf den Organismus ungesund wirken können. Die gesättigten Fettsäuren hingegen haben eine positive Auswirkung auf Stoffwechselprozesse, stärken das Immunsystem und wirken entzündungshemmend. Bei der Nahrungsaufnahme werden sie hauptsächlich als Rohstoff, Trägerstoff, Trennmittel oder Überzugstoff verwendet.

Proteine (altgr.: „erstrangig“, „das Erste“, „das Wichtigste“)

Unsere Nahrung sollte ungefähr 15% Eiweiße enthalten, da diese die Grundbausteine des Körpers bilden. Diese Eiweiße sind unabdingbar für viele körpereigene Vorgänge. So spielen sie eine große Rolle bei der Proteinsynthese (Herstellung von Eiweiß), bei der Zellproliferation (Wachstum von Gewebe), sind wichtig zur Infektionsbekämpfung und von besonderer Bedeutung bei der Bildung von Granulationsgewebe. Ohne ausreichende Proteinzufuhr treten sowohl bei der Wundheilung als auch im gesamten Blutkreislauf Probleme auf. Bei der Wundheilung sind alle Phasen beeinträchtigt, von der Zellproliferation bis zur Immunabwehr. Es wird je nach Wundart eine Eiweißaufnahme von 0,8-1,5 g/kg Körpergewicht/Tag empfohlen. Über die Wundexsudation kann pro Tag bis zu 50g Eiweiß verloren gehen. Diese Tatsache macht u.a. deutlich, warum die Eiweißsubstitution zur Wundheilung so wichtig ist.

Der Körper baut sich aus Aminosäuren verschiedene Proteingruppen auf:

  • Hormone (sind zuständig für Stoffwechselvorgänge)
  • Strukturproteine (z.B. Kollagen, Keratin, Elastin)
  • Schutzproteine (Fibrinogen, Thrombin und Immunglobuline sind wichtig für die Blutgerinnung und die Immunabwehr)
  • Proteine mit Transportfunktion (z.B. Hämoglobin transportiert Sauerstoff)

Bei der Wundheilung sind die Proteine Albumin (vorwiegend in Milch und Eiern enthalten) und Arginin (vorwiegend in Pflanzen enthalten) von besonderer Bedeutung. Beide Eiweiße sind aus essentiellen Aminosäuren zusammengesetzt, die vom Körper nicht selbständig aufgebaut werden können und deshalb durch die Nahrung aufgenommen werden müssen. Arginin ist maßgeblich an der Kollagensynthese der Wunde beteiligt und verbessert die Immunabwehr. Folglich besteht bei einem Mangel an diesem Protein eine erhöhte Infektionsanfälligkeit. Albumin hingegen ist ein Indikator für Malnutrition. Wird dem Organismus nicht in ausreichendem Maß Eiweiß zugeführt, werden die Proteinreserven im Körper aufgebraucht. Dies führt zu diversen Funktionseinschränkungen und so auch zu Wundheilungsstörungen.

Vitamine

Auch Vitamine sind essentielle Nährstoffe, d.h. sie können vom Körper nicht selbst aufgebaut und müssen deshalb über die Nahrung aufgenommen werden. Vitamine werden unterschieden in fettlösliche und wasserlösliche Vitamine und können im Körper unterschiedlich lange gespeichert werden. Vitamine sind unabdingbar für wichtige Stoffwechselvorgänge und fördern die Kollagenbildung.

Mineralstoffe

Die Mineralstoffe müssen ebenfalls über die Nahrung in den Körper gelangen und können nicht vom Organismus selbst hergestellt werden. Zu den Mineralstoffen gehören: Kalium, Natrium, Kalzium, Magnesium, Phosphor, Chlor und Schwefel. Sie sind wichtig für die Immunabwehr und die Wundheilung. Folgende Aufgaben kommen ihnen zu:

Regulation des Wasserhaushaltes Regulation des Säure-Basen-Haushaltes Lieferung von Elektrolyten Steuerung des osmotischen Drucks in den Körperflüssigkeiten.

Spurenelemente

Dazu zählt man z.B.: Eisen, Kupfer, Kobalt, Selen, Mangan, Chrom, Zink, Jod, Fluor, Zinn, Arsen. Die Spurenelemente Zink und Selen nehmen eine tragende Rolle bei der Wundheilung ein. Das Spurenelement Zink ist für die Bildung von Granulationsgewebe verantwortlich. Bei einem Mangel kommt es zu einem schlechten Wundverschluss. Jod, Mangan, Selen oder Zink wird benötigt zur Aufnahme der Makronährstoffe.

Flüssigkeit

Es sollte dem Körper 30–40 ml/kg Körpergewicht Flüssigkeit am Tag zugeführt werden. Hier handelt es sich um einen Orientierungswert, der individuell variiert und bei alten Menschen, Gesundheitseinschränkungen oder Restriktionen ggf. angepasst werden muss.

Malnutrition

Unter Malnutrition versteht man eine Fehl- oder Mangelernährung. Es gibt unterschiedliche Ursachen und daraus resultierende Folgen in verschiedenen Schweregraden.

Folgende Ursachen können zugrunde liegen:

  • Soziale oder psychische Gründe (z.B. finanzielle Probleme, Isolation, Verlust von Bezugspersonen, falsche Essensauswahl, Immobilität)
  • Physische Gründe (z.B. Schluckbeschwerden, Zahnstatus, akute und chronische Erkrankungen, erhöhte Nährstoffverluste, Demenz)
  • Medikamente (z.B. Antibiotika, Antihistaminie, Diuretika, Opiate, Sedativa, Tranquilizer, Zytostatika)

Bei einer Malnutrition können meist Frühsymptome wie Antriebslosigkeit oder Müdigkeit festgestellt werden. Es kommt häufig zu Appetitlosigkeit und einem hieraus folgenden gestörten Essverhalten. Daraus wiederum resultiert eine Minderversorgung mit den nötigen Nährstoffen und es kommt zum körperlichen Abbau und einer Schwächung des gesamten Organismus.

Mögliche Folgen der Mangelernährung können sein: erhöhtes Infektionsrisiko, erhöhte Komplikationsrate bei der Wundheilung, erhöhtes Dekubitusrisiko, verringerte Immunabwehr, Antriebsarmut, Immobilität, Kachexie und eine schlechtere Wundheilung. Letzteres bedeutet eine verlängerte Entzündungsphase, verminderte Kollagensynthese, reduzierte Fibroblastenaktivität, reduzierte Angiogenese, verzögertes Remodelling (letzte Phase der Hautschließung) und eine reduzierte mechanische Stabilität der Wunde.

Es ist von großer Bedeutung, eine bestehende Malnutrition festzustellen, um in einem zweiten Schritt mit einem gezielten und individuellen Maßnahmenplan einen ausgewogenen Ernährungszustand wiederherzustellen. Auch ist wichtig zu beachten, dass nicht allein die körperlichen Fakten eine Rolle spielen, sondern zur genauen Ermittlung des Problems auch die sozialen Belange, d. h die Lebensumstände, die Lebensqualität und die Essgewohnheiten des Betroffenen von Bedeutung sind.

Im Expertenstandard „Ernährungsmanagement zur Sicherstellung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege“ werden zahlreiche Instrumente zur Erfassung der Ernährungssituation genannt. Diese sind unterschiedlich aufgebaut und weisen unterschiedliche Indikatoren auf. Die Experten empfehlen das MNA (Mini-Nutritional-Assessment), um auf die Ernährungssituation adäquat eingehen zu können. Dieses Assessment berücksichtigt nicht nur die körperlichen Indikatoren, sondern auch die wichtigen Aspekte der Lebensqualität und Lebenssituation. Der Zeitaufwand bei diesem Instrument liegt bei 10-15 Minuten.

Folgende Kriterien müssen bei der Auswahl für ein geeignetes Erfassungsinstrument beachtet werden: Art des Instruments, Zielgruppe, Anwendergruppe, Zeitaufwand, Aufgabe und Struktur, Inhalte, Praktikabilität, wissenschaftliche Überprüfung und Integration in das pflegerische Assessment.

Bei dem in der Praxis häufig verwendeten Body-Mass-Index (BMI) muss gesehen werden, dass er lediglich eine grobe Einschätzung der Ernährungssituation erlaubt. Er berücksichtigt z.B. nicht den Zustand nach Amputationen oder Ödembildungen und setzt exaktes Messen der Körpergröße und des Gewichtes voraus.

Bei diagnostizierter Malnutrition sollten die verschiedenen Gegenmaßnahmen im Einzelfall innerhalb des pflegerischen Prozesses abgewogen werden. Hier kann es richtig sein, die drei Stufen nacheinander zu berücksichtigen oder aber auf einzelne Schritte zu verzichten, weil sie im individuellen Fall nicht angemessen sind.

  • Optimierung der oralen Ernährung
  • Einsatz von Supplementen (Trink- und Zusatznahrung)
  • Zusätzliche andere Applikationsformen (z.B. Magensonde)

Über den Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln kann keine eindeutige Aussage gemacht werden. Es gibt Hinweise darüber, dass die Zugabe von eiweißreicher Zusatzernährung für eine positive Wendung bei Menschen mit Wunden gesorgt hat. Dennoch gibt es dazu noch keine ausreichenden Belege. Bei allen Anstrengungen eine optimale Ernährung bei einem Menschen mit einer chronischen Wunde zu erreichen, ist es besonders wichtig, dass eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Patient und Pflegeperson besteht. So können Ablehnungsreaktionen vermieden oder geringgehalten werden.

Ernährungstherapie/-tipps bei Menschen mit Wunden

Es sollten besonders diejenigen Nährstoffe zugeführt werden, die zum einen am Zellaufbau beteiligt sind (z.B. Zink u.a. in roten Fleischsorten, Fisch, Milch, Salat, Gurken, Spargel), Protein, Vitamin C (u.a. in Obst und Gemüse, vor allem in Zitrusfrüchten, s.o.) und zum anderen Entzündungen im Organismus entgegenwirken (z.B. Arginin, Vitamine der Gruppe B (u.a. in Broccoli, Spinat oder Grünkohl), Selen (u.a. in Knoblauch). Auch die ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist von großer Bedeutung. Auf verschiedenen Wegen können die benötigten Stoffe dem Körper zugeführt werden: mit der Nahrung, mit Nahrungsergänzungsmitteln oder speziell angereicherte Trinknahrungen. Auch bei der Nahrungsaufnahme kann auf ganz einfache Weise Hilfestellung gegeben werden – hier beispielhaft erwähnt:

  • Angenehme Atmosphäre schaffen, schön dekorierter Tisch, Porzellangeschirr, Servietten – keine Lätzchen, gemeinschaftliches Essen
  • Speichelfluss anregen (Kaubewegungen machen)
  • Hilfsmittel verwenden (Tellerrand, Besteck mit dicken Griffen, Trinkhalm, keine Schnabelbecher verwenden – erschweren das Schlucken und die Temperatur und die Menge des Getränks sind nicht abschätzbar!)

Bei Menschen mit zusätzlichen Kau- und Schluckbeschwerden muss auf diese Besonderheit in gesondertem Maße geachtet werden.

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