Leseprobe: Angehörigenarbeit

3 Professionelle Methoden für Ihre Angehörigenarbeit 44 MENSCH UND MEDIEN Praxisbeispiel : Eine stationäre Pflegeeinrichtung im Bergischen Land hatte vor einigen Jahren einer Angehöri- genselbsthilfegruppe, die aus einer Vortragsreihe zum Thema „Umgang mit Demenz“ entstan- den ist, Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Die Gruppe, welche ausschließlich aus Angehö- rigen der dort lebenden Bewohner bestand, traf sich regelmäßig alle 14 Tage am frühen Abend. Die einzige Auflage war, dass der Raum wieder ordnungsgemäß hinterlassen werden sollte. Die Einrichtungsleitung ihrerseits versprach sich von dieser Selbsthilfegruppe, dass sie werbe- wirksam in der Außendarstellung der Pflegeeinrichtung präsentiert werden kann. Niemand von den Mitarbeitern wusste, dass sich fast nur unzufriedene Angehörige hier trafen. Viele der Pflege- und Betreuungskonzepte der Einrichtung waren diesen Angehörigen unver- ständlich. So beklagte sich z. B. eine teilnehmende Angehörige darüber, dass ihre Mutter Kar- toffeln schälen „musste“ (im Rahmen einer gerontopsychiatrischen Tagesgruppe), obwohl ihre Mutter 3.500 Euro monatlich für den Pflegeplatz bezahlt. Eine andere Angehörige beobach- tete, dass eine fortgeschritten demente Bewohnerin (die sturzgefährdet war) auf einer Mat- ratze auf dem Boden schlafen „musste“. Aufgrund einer Vielzahl solcher Beispiele entstand aus diesem ursprünglich als Selbsthilfegruppe gedachten Treffen eine „Widerstandsgruppe“, die auch nicht davor zurückschreckte, die Heimaufsicht über ihre „Beobachtungen“ zu informieren und einzuschalten. Auch wenn sich solche vermeintlichen Vorwürfe und Anschuldigungen fach- lich entkräften lassen, entsteht erst einmal ein Klima des Misstrauens und der Feindschaft zwischen den Teams und den Angehörigen. Hier hätten schon erste fachliche Erläuterungen durch einen fachkundigen Mitarbeiter im Vorfeld den Konflikt auflösen können. Planen Sie Ihre Selbsthilfegruppe gut Überlassen Sie nichts dem Zufall. Haben Sie sich zusammen mit Ihrer Lei- tung dazu entschlossen, dass Ihre Einrichtung eine eigene Selbsthilfe- gruppe für Angehörige haben soll, so muss dieses Angebot gut vorbereitet werden. Hierzu müssen im Vorfeld folgende Fragen erläutert werden: Haben wir einen passenden Raum? Er sollte hell, ungestört und freund- lich sein. Wen sprechen wir mit diesem Angebot an? Hier müssen Sie entscheiden, ob Sie nur Angehörige Ihrer eigenen Pflegebedürftigen ansprechen oder auch andere pflegende Angehörige. Wie erfahren potenziell Interessierte von dem Angebot? Zum Beispiel über Flyer oder Aushänge in Ihrer Einrichtung. Auch könnten Sie Ange- hörige persönlich kontaktieren. Welches Ziel verfolgt die Einrichtung mit diesem Angebot? Hier geht es primär darum, Angehörige zu entlasten, sie in den Pflegealltag zu inte- grieren und die Kooperation mit den Teams zu fördern. Planen wir eine offene oder eine geschlossene Gruppe? Offene Gruppen haben den Vorteil, dass sie Fluktuation besser kompensieren, hingegen kann in geschlossenen Gruppen eher ein vertrautes Klima entstehen. Wer leitet die Gruppe? (Mitarbeiterressourcen?) Er sollte kommunika- tive, soziale und empathische Kompetenzen mitbringen. Stehen finanzielle Ressourcen zur Verfügung (z. B. für Getränke und Gebäck)?

RkJQdWJsaXNoZXIy ODQyNDg=