Leseprobe: Demenz und Beziehungsgestaltung

7 Schrittweise eine Verstehenshypothese entwickeln 91 Fachkompetenz Pflege: Demenz und Beziehungsgestaltung Bei Angst und Unruhe helfen z. B.: • Körpernaher Dialogaufbau z. B. über Basale Stimulation (z. B. beruhigende Waschung) • Massagen und Einreibungen (z. B. ASE – wirkt auch schmerzlindernd) • Aromapflege (vertraute Düfte; entspannende Wirkung) • Vertraute Gegenstände aus dem externen Gedächtnis anbieten (im Rahmen der Selbst-Erhaltungs-Thera- pie) • Einsatz einer Klangschale • Auflagen, Wickeln • Fuß- und Handbäder anbieten • etc. Tipp : Liegt Ihre Verstehenshypothese in Richtung Juckreiz, dann können hier z. B. Vollbäder (z. B. in Mais- stärke) ein probates Mittel sein, um diese Hypothese auszutesten. Erst wenn die nicht-medikamentösen Maßnahmen keine Wirkung zeigen, sollten Sie zu Schritt 5 überge- hen. Schritt 5: Versuchsweise Gabe von Medikamenten (z. B. beginnend mit Schmerzmitteln) Sollten die nicht-medikamentösen Maßnahmen keinen Erfolg zeigen, sollte mit dem Hausarzt eine ver- suchsweise (probatorische) Medikation (z. B. Schmerztherapie) abgestimmt werden. Da viele alte Menschen unter Verschleißerkrankungen leiden, kann hier eine Ursache für das herausfordernde Verhalten zu suchen sein. Die eigentliche Schmerztherapie sollte kunstgerecht erfolgen (vgl. hierzu den Praxisleitfaden „Pallia- tivpflege“. Wenn Schmerzmittel keinen Effekt haben, • dann sollten Sie in Richtung „Juckreiz“ weitersuchen (z. B. mithilfe der Antihistaminika), • dann „Übelkeit“ (z. B. Antiemetika), • dann „Unruhige Beine“ (z. B. L-Dopa), • etc. (siehe oben in Schritt 1). Schritt 6: Beratung mit dem Facharzt und versuchsweise Gabe von Psychopharmaka Achtung : Überlegen Sie, bevor Sie den Neurologen oder den Gerontopsychiater kontaktieren, ob der Betroffene unter seinem Verhalten selber leidet oder eher die Personen aus seinem Umfeld (Tipp: Bedarfs- medikation für Mitarbeiter und Angehörige?). Erst als letzter Schritt sollte der Einsatz von Psychopharmaka mit dem Arzt bzw. dem Gerontopsychiater erwogen werden. Bekommt der Betroffene schon entsprechende Medikamente, sollte über eine Dosiserhöhung nachgedacht werden Auch kann über eine paradoxe Wirkung der bisherigen Medikation nachgedacht werden. Hierzu kann die Konsultation des Apothekers sinnvoll sein. (Zum Einsatz von Psychopharmaka finden Sie weiter unten noch mehr Informationen.) (STI = Serial Trial Intervention nach T. Fischer et al. 2007 – hier von uns modifiziert und weiterentwickelt) Auch bei dieser Methode der Fallarbeit lassen sich externe Personen gut ein- beziehen, da sie die Fallarbeit bereichern und unterstützen. Das können z. B. Angehörige, Ärzte, Mitarbeiter mit einer gerontopsychiatrischen Zusatzqualifikation oder auch Mitarbeiter des SAPV-Teams sein. Gerade bei Angehörigen haben Sie den Vorteil, dass diese oftmals einen intuitiven Zugang zum Betroffenen mit Demenz haben. So hat z. B. die HILDE-Studie (Becker 2011) deutlich gezeigt, dass Angehörige von Personen mit Demenz eher einen Schmerzzustand bei dem Betroffenen vermuten, als dies Pflege- mitarbeiter tun. Da in vielen Einrichtungen der Kranken- und Altenpflege immer noch Schritt 6 aus der modifizierten STI-Methode bevorzugt wird (Beratung mit dem Facharzt und versuchsweise Gabe von Psychopharmaka), möchten wir ein- dringlich vor einem vorschnellen Einsatz von Psychopharmaka warnen.

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