Leseprobe: Mobilität

4 Übergreifende Regelungen für Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel 70 MENSCH UND MEDIEN Dies wird zum einen deutlich aus der Formulierung in § 139 Abs. 1 SGB V, so heißt es dort: „In dem Verzeichnis sind von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen.“ Wäre das Verzeichnis abschließend im Sinne einer Positivliste, dürften also nur Produkte aus dem Verzeichnis verordnet und versorgt werden, so wäre der Satz wie folgt zu formulieren: „In dem Ver- zeichnis sind die von der Leistungspflicht umfassten Hilfsmittel aufzufüh- ren.“ Die Fassung der Formulierung verdeutlicht, dass das Hilfsmittelver- zeichnis der GKV nicht den Charakter einer abschließenden Liste mit einer den Leistungsanspruch unmittelbar begrenzenden Wirkung hat und auch nicht haben soll. Dies wird zudem auch regelhaft durch die ständige Rechtsprechung des Bun- dessozialgerichts bestätigt, wonach nicht entscheidend für den Versorgungs- anspruch ist, ob das begehrte Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis gelistet ist, denn – so die Richter – es handelt sich bei diesem Verzeichnis nicht um eine abschließende Regelung im Sinne einer Positivliste, ständige Rechtsprechung seit 1996, z. B. Urteil des BSG vom 15.11.2007, Az.: B3 A1/07 R. Zusätzlich erstellt der GKV-Spitzenverband gemäß § 78 SGB XI als Anlage zum Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V ein ebenfalls systematisch struk- turiertes Pflegehilfsmittelverzeichnis. Dieses enthält Produkte, die generell nach ihrer Konstruktion, Ausstattung, Funktion und Zweckbestimmung die Pflege erleichtern, Beschwerden lindern bzw. eine selbstständigere Lebens- führung ermöglichen, ohne als allgemeine Gebrauchsgegenstände des tägli- chen Lebens eingestuft zu sein. Auch das Pflegehilfsmittelverzeichnis ist unverbindlich. In § 78 Abs. 2 SGB XI ist die Fassung des Wortlauts allerdings unterschiedlich zum § 139 SGB V ausgeführt. Zwar ist auch dort von einem „systematisch strukturierten“ Pflegehilfsmittelverzeichnis die Rede, in ihm sind aber weiterhin „die“ von der Leistungspflicht der Pflegeversicherung umfassten Pflegehilfsmittel aufzuführen. Diese wurde bereits mehrfach durch das Bundessozialgericht kritisiert und als nicht zulässig angesehen. Die Regelungen des § 78 Abs. 2 SGB XI verweisen in wesentlichen Teilen auf das SGB V, konkret auf die §§ 36, 126, 127 und 139 SGB V und knüpfen damit an das Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung zum Hilfsmittelver- zeichnis an. Beide Verzeichnisse, also sowohl das Hilfsmittel- als auch das Pflegehilfsmittelverzeichnis, sind als reine Auslegungs- und Orientierungs- hilfen für die medizinische und pflegerische Praxis zu verstehen, so das Bun- dessozialgericht mit Urteil vom 15.11.2007, Az.: B3 A1/07 R. Zum Teil werden Ablehnungen damit begründet, dass ein Produkt nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistet sei, sodass es von den Krankenkassen nicht übernommen werden kann. Es wird immer wieder von Kranken- und Pfle- gekassen, aber auch von der Ärzteschaft postuliert, dass nur Hilfsmittel aus dem Verzeichnis verordnungs- und versorgungsfähig seien. Dies ist nicht korrekt und wird regelmäßig von den Sozialgerichten verneint. Sofern also eine Ablehnung eines Hilfsmittels mit der fehlenden Listung im Hilfsmittel- verzeichnis begründet wird, sollte stets ein Widerspruch dagegen eingelegt werden. Berufen Sie sich dabei auf die vorgenannten Rechtsquellen, weisen Sie aber auch auf die Hilfsmittel-Richtlinien hin. Die Hilfsmittel-Richtlinie führt in § 4 aus: „Das Hilfsmittelverzeichnis ist nicht abschließend.“ Und weiter in § 6 Abs. 5: „Das Hilfsmittelverzeichnis dient … als Orientierungs- und Auslegungshilfe…“ (zur Bedeutung und rechtlichen Verbindlichkeit der Richtlinie siehe Kapitel 5.4). Pflegehilfsmittel- verzeichnis Wichtig! praxisTipp

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